top of page

Wer sind AFA und ACTA?

I

Es waren einmal auf der griechischen Insel Thasos ein König und eine Königin.

Diese hatten eine Tochter von unbeschreiblich schöner Gestalt.

Litus wurde sie genannt, da sie am goldenen Strand der Insel geboren wurde.

Ihre Kindesjahre verbrachte sie im prachtvollen väterlichen Palast aus purem Marmor,

wo sie am Impluvium fast täglich einen sich erfrischenden Flamingoschwarm bewunderte.

Seitdem sich ihr Körper mit den verführerischen Reizen einer Frau zu schmücken begann,

kamen stetig Freier aus der ganzen bewohnten Welt und warben um ihre Gunst.

Weil sich Litus‘ Vater jedoch einen Jüngling mit Geistesgaben zum Schwiegersohn wünschte,

hielt er all die Bewerber fern. Gewiss war er weise und verehrte besonders Venus fromm,

denn er war zutiefst dankbar für die Schönheit, welche die Göttin in seiner Tochter aufblühen ließ.

Als eines Tages aber Jupiter Litus erblickte, verliebte und verwandelte er sich, um sich ihr zu nähern.

Er nahm die silhouettenhafte Form eines aus einem schwarzen Linienzug gezeichneten Flamingos an.

Litus bewunderte diesen und ließ sich von ihm hin zu einem verlassenen Apolloheiligtum leiten.

Dort, die Kunst der Verführung in Vollendung gebrauchend, erreichte Jupiter, dass sie sich vereinten.

Nachdem er die junge Frau darauf verlassen und sein natürliches Aussehen zurückerlangt hatte,

traf er an der abseitigen Anlage alle notwendigen Vorkehrungen für ihr Wohlergehen.

Die Königstochter verheimlichte ihre Schwangerschaft und zeigte sich nur noch selten im Palast.

Als aber die Geburt kurz bevorstand, führte nun Apollo Litus erneut zu seiner abgelegenen Kultstätte.

Hier brachte die Königstochter in einer klaren sternenreichen Nacht ein halbgöttliches Kind zur Welt

und da ihr Sohn am feinkörnigen Strand des Heiligtums geboren wurde, nannte sie ihn Afa.

II

In Afas Erscheinungsbild zeigten sich die menschlichen Züge seiner sterblichen Mutter,

die malerisch durch einen schwarzen Pinselstich konturiert waren wie beim dunklen göttlichen Flamingo.

Apollo selbst segnete ihn mit musischen Talenten und ließ ihn mit einer Lyra sowie mit einem edelhölzernen

Plectrum beschenken, wodurch Afa magische Melodien erzeugte, welche die Atmosphäre in Einklang brachten.

Um die gattenlose Litus aber wegen ihres unehelichen Kindes nicht in Verruf geraten zu lassen,

ließ Jupiter, der Donnerer, den vornehmen Cautes nahe Thasos Schiffsbruch erleiden, nur um ihn dann

von der Meeresnymphe Acta an der Bucht des Apolloheiligtums bergen und zu Afas sterblichen Vater werden zu lassen.

Durch göttlichen Willen geschah es also schließlich, dass sich Litus und Cautes dort begegneten

und, eingekehrt im Kultbau der geweihten Anlage, beschlossen, einen familiären Bund einzugehen.

Bei der vor den Inselbewohnern geheim gehaltenen Vorbereitung der Hochzeit dieses edlen Paares

waren die Palastdiener durch Afas Lyraspiel und dessen Anblick wie verzaubert und fingen an,

diesen als Günstling des Apollo zu verehren und Litus sowie Cautes als dessen Priester zu huldigen.

Auch das Königspaar reiste an und pries selig sowie dankbar die Vermählung ihrer Tochter,

die auf der Anhöhe am Heiligtum prächtig und in Anwesenheit erlesener Geister gefeiert wurde.

Es dauerte nicht lange, da stieg die Popularität des Halbgottes und reges Leben kehrte in das Heiligtum.

So entstand ein florierender Kult um den halbgöttlichen Afa selbst und sein leuchtendes Lyraspiel.

Auch die Neireide Acta fühlte sich von Afa angezogen und zeichnete seine Form liebevoll in den Sand des Strandes.

Doch mit der zunehmenden Verehrung ihres geliebten Halbgottes, wuchs in ihr das Gefühl der Geringschätzung

und Wankelmut beunruhigte ihr, die einst Cautes aus den bedrohlichen Wogen gerettet hatte, die Seele.

So wollte sie diese Zurückweisung nicht länger ertragen und beschloss, sich einen Platz neben Afa zu verschaffen.

III

Getrieben durch Liebe zu Afas Erscheinungsbild, aber auch durch Neid auf dessen Bewunderung,

wandte sich die schwankende Acta im Frust über ihre Vernachlässigung an die rachsüchtige Juno.

Den Zorn über die Untreue ihres Gatten aber richtete diese vielmehr gegen Litus sowie Afa und verwandelte

die Nereide, die Überbringerin der üblen Botschaft, in das Ebenbild des geliebten Halbgottes.

Um Zwist unter den Inselbewohnern hervorzurufen, befahl sie, dass der eisige Nordwind Acta auf Thasos absetze

und Merkur Afa das Plectrum entwende. Beide kamen ihrer Anordnung nach, Merkur aber nur halbwegs, denn er versteckte das Plättchen im Kultbau. Acta, die nun aussah wie Afa, war bitterlich reumütig und hielt sich verborgen.

Auch Afa, der durch die vergebliche Suche nach seinem Plectrum gekränkt war, verließ heimlich sein Heim.

So begann die Suche nach dem verehrten Halbgott, bis die Fischer Afa einsam an der Küste und die Steinmetze Acta zurückgezogen zwischen den Berggipfeln auffanden. Beide machten sich triumphierend auf, den verlorenen Afa

zurück zur Kultstätte zu bringen, doch als Litus Afa dort gleich zweimal überbracht wurde, entbrannte unter

den Sterblichen heftiger Streit, wer nun den echten Afa gefunden habe. Die Fischer errichteten ihr Lager am Strand

um das Apolloheiligtum, während die Steinmetze einen befestigten Turm bezogen. Beide hielten ihren Afa je bei sich.

Weil nur das Spiel der Lyra Wahrheit bringen und den Konflikt lösen konnte, erfragte Cautes das Orakel um Rat.

Als aber Acta in ihrem abgelegenen Turmgemach unvorhersehbar Gefahr drohte, war es Venus, die ihr beistand

und sie mit den schönsten sowie augenscheinlichsten weiblichen Reizen schmückte. Endlich gelang es Cautes

am neunten Tage des thasiotischen Krieges den Orakelspruch zu enträtseln und Afa das Plectrum zu überreichen,

der sogleich mit den erhabenen Klängen seines Lyraspieles Frieden in die Insel trug. So kam es, dass die schöne Acta

und der musische Afa vereint wurden, den Fischern und Steinmetzen jedoch sollte ewige Mühsal die Strafe sein.

Afa und Acta aber erscheinen den Sterblichen noch immer mit ihrer göttlichen Wirkung in gefühlvollen Momenten.

bottom of page